Mittwoch, 22. Juli 2009
 
Wir marschieren in den Cyberwar
Mahmudinedschad wirft es westlichen Staaten ja schon in aller Öffentlichkeit vor: Die Proteste im Iran seien aus dem Ausland gesteuert, und so ganzu von der Hand zu weisen ist ein - zumindest ansatzweise vorhandener - ausländischer Einfluß auch nicht gerade...

Zumindest unsere Regierung scheint da aber noch ziemlich hinterher zu sein. Und das möchte die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik gerne ändern.
Nicht nur will man sich gern an Aufständen gegen unliebsame Regime beteiligen, nein, auch Spionage soll so - kostengünstig und risikolos - durchgeführt werden.

Aber damit nicht genug, denn natürlich könnten böse Regime, oder andere Gruppierungen (Kinderschänder, Raubkrepierer, etc...) auf die Idee kommen, den Spieß umzudrehen und gegen unsere Regierung mobil machen. Das müsse man natürlich verhindern, indem man auf Facebook etc... die politische Diskussion an sich ziehe.

Leider steht der Text nicht online, aber die NRhZ hat die Kernpunkte der Forderungen rausgeschrieben.

Ich persönlich frage mich ja, für wie blöd, sie die Internetuser halten. Die haben das Internet noch nicht weit genug verstanden als daß sie es lesen könnten ohne sich vorher die Texte auszudrucken, aber wollen es schon zur Propagandaschleuder umfunktionieren. Jungs, schaut Euch doch einfach mal an, wie es Vodafone oder der Bahn grade geht. Das Internet ist kein Berg der das was man ihm zuruft als wunderschönes Echo zurückgibt. Man könnte ihn eher mit einem Wald vergleichen. Mit viel Dickicht, Gefahren und Fallen. Und das was man hineinruft kommt zurück, aber häufig auf eine ganz andere Art als man es erwartet hat - vor Allem wenn man mit Lügen und Manipulationen arbeitet, die aus der Welt von Zeitung und Fernsehen übernommen wurden.
 

 
Nur in Sachen Iran:

Natürlich ist der Mossad oder die CIA momentan im Iran aktiv (wie übrigens auch der VEVAK selbst hierzulande sehr effektiv arbeitet). Das ist auch irgendwie natürlich und wer meint, dass dem nicht so sei, mag irgendwie weltfremd sein. Sie wären ja auch völlige Nieten, wenn dem nicht so wäre. Nur: Die Proteste dort stammen von innen. Wenn Ichmachdschihad ernsthaft behaupten möchte, das sei von außen gesteuert, sagt er gleichzeitig, dass die zwei Vorgängerpräsidenten vor ihm plus der letzte Ministerpräsident ebenso vom Ausland gesteuert sind. Kann er nicht ernst meinen, oder vielleicht doch, man traut ihm ja alles zu.
Die Iraner sind zuerst eins: Iraner. Und wer meint, man könne die von außen irgendwie steuern, hat die iranische Mentalität nicht verstanden.
 
 
Ich weiß nicht ob Du diesen Artikel kennst.
Er beschäftigt sich mit den Jungs, die anno '00 dafür gesorgt haben, daß Milosovic gehen mußte - gut, die NATO- bomben hatten schon einiges an Vorarbeit geleistet, aber erst als man auf die Straße ging, war endgültig Schluß mit lustig für Slobodan.
Diese Leute machen mittlerweile auf Berufsrevolutionäre und hatten ihre Finger wohl ausschlaggebend mit in den Demonstrationen in der Ukraine und Georgien, die jeweils zu neuen Staatsoberhäuptern führten. Zumindeste Georgien ist geographisch nicht mehr weit vom Iran entfernt.
Was läge also näher als anzunehmen, daß einige Iraner aus Belgrad beraten wurden und die Proteste schon im Vorfeld der Wahl geplant wurden?
Der Zorn, den die Iraner spüren ist sicherlich echt, aber die Symbole - die grünen Tücher, das Allahu Akbar von den Dächern - das paßt einfach zu gut als daß man da nicht zumindest ein wenig Organisation hinter vermuten könnte.
 
 
Den Artikel kannte ich nicht. Danke.
Ich bin der Ansicht, dass das aber nicht auf Iran zutrifft. Andere Kultur, andere Voraussetzungen, anderes System. Auch ist die Absicht der Protestbewegung nicht ein völliger Systemwechsel, was man bei Einflussnahme von außen annehmen dürfte.
Was sich im Iran abspielt, ist zuerst einmal ein Zerwürfnis innerhalb der Führung und das schwelt wohl schon länger: Teile des Klerus sprechen Chamenei die Fähigkeit zum geistlichen Führer ab und liegen da wohl nicht ganz falsch. Mal als Vergleich: Das wäre, als führte nicht der Papst einen katholischen Kirchenstaat an sondern ein dahergelaufener Pfarrer.
Bereits vor der letzten Achmadidepp-Wahl waren sie zerstritten: Eigentlich wäre es ausgemacht gewesen, dass Rafsandschani nochmal drankommt, dann passierte aber doch anderes. Rafsandschani ist der reichste Iraner überhaupt und wahrscheinlich einer der einflußreichsten (mitsamt Familienclan und Konzern plus Zeitungen).

Und was ich auch noch meine: Die Iraner sind nicht steuerbar. Weder von außen, noch von innen. Weil sie keine homogene Masse sind sondern viele Häuflein an Interessengruppen bilden. Das geht von Klerikalen bis zu Kommunisten (und gar einer Mischung aus beidem). Zuerst aber sind sie eines: Iraner und sonst nichts. Mir hat mal mein guter Bekannter Mohammed -ein, man kann das wohl so sagen, Hasser des Mullahregimes und überzeugter Demokrat, Widerständler, Oppositioneller, Mitarbeiter in einem Radiosender gegen das Regime- gesagt, dass er völlig anders denken würde, wenn die Amis sich in Iran einmischen würden. Dann sei er zuerst Iraner.

Zu den Symbolen: Grün war schon zuvor die "Moussavi"-Farbe und der wird ja wohl eher nicht gekauft sein. Die Stimmung zugunsten Moussavi (ein bis dahin eher blasser, alter Mann des Systems) kippte übrigens völlig, als Achmadinedschad während einer Fernsehdebatte ein Bespitzelungsdossier über dessen Frau auf den Tisch knallte.
"Allahu Akbar" übrigens ist extrem provokant und wahrscheinlich schreien sie es deshalb: Das war der Ruf, der schon gegen den Schah eingesetzt wurde und damit suggerieren sie eben, dass Chamenei sowas wie der neue Schah ist.
 
 
So ein klein wenig kenne ich mich in der iranischen Geschichte ja auch noch aus um zu wissen, was die von politischer Einflußnahme - besonders der aus den USA - so halten.
Und die Anlehung an die Schah- Geschichte hatte ich auch mitbekommen. Seit wann ist grün eigentlich die Farbe von Moussavi? Soweit ich weiß, tauchten die Tücher doch erst im Vorfeld der Wahl auf? Wer hat das vorgeschlagen/verbreitet, daß ab sofort ein grünes Tuch mitzuführen ist?
Soweit ich weiß, ist grün auch die Farbe des Islam, was zusammen mit dem Allahu Akbar auch eine andere Botschaft an Khamenei schickt: Du glaubst, Du sprichst für Gott, aber sieh her, wir sind midestens genauso gute Muslime wie Du. Zumindest wäre das meine Interpretation der Geschichte...

Ja, die Sache ist reichlich kompliziert. Beweise gegen eine Einflußnahme wird wohl keiner an den Tag bringen können, und daß es bisher keine Beweise dafür gibt - und da dürfte Achmedmachtdichplatt sehr hinter her sein - deutet schon darauf hin, daß es eben keine greifbaren Beweise gibt. Man wird den Amis wohl schwer vorwerfen können, daß sie so Sachen wie Facebook oder whyweprotest.org ins Netz stellen, und die von mir erwähnten Aufstände sind öffentlich so weit dokumentiert, daß man auch daraus lernen kann, ohne mit deren Urhebern in Kontakt zu treten - vermutlich auch die sicherere Methode, wenn man als Iraner noch ein wenig leben will...
 
 
Die Idee mit der Farbe grün stammt von Moussavi selbst und richtig, damit besetzt die Opposition ein Feld, das eigentlich Chamenei beackern müsste.
Die "Einflußvonaußen"-Theorie äußert -wenn ichs richtig mitgekriegt habe- bisher wohl nur Achmadi. Das kommt noch nicht mal von Chamenei oder anderen Hardcoreayatollahs. Ich finds nach wie vor absurd, weil das bedeuten würde, dass Rafsandschani (Ex-Präsident und Vorsitzender des Expertenrats), Chatami (Ex-Präsident) und zusätzlich noch der Präsidentschaftskandidat Moussavi (Ex-Ministerpräsident) mit involviert wären, die alle drei am eigentlichen System überhaupt nichts ändern wollen.

Die von dir erwähnten Aufstände unterscheiden sich hinsichtlich des Iran übrigens in einem Punkt sehr deutlich: Das waren entweder ethnische/regionale Unterschiede (Ukraine) oder "klassische Grassrootsbewegungen" (Serbien). In jedem Fall aber gab es große Gegensätze, welcher Art auch immer. Im Iran ist der Konflikt innerhalb des allerengsten Zirkels des Regimes und da ganz weit oben, zwischen den beiden mächtigsten Figuren (Rafsandschani und Chamenei).