Dienstag, 25. September 2018
 
Die Mär vom immer sauberer werdenden Straßenverkehr. Und Diesels Beitrag
Immer, wenn es um schummelnde Dieselbauer geht - worunter dummerweise alle deutschen Autohersteller fallen - kommt irgendein Hansel daher und meint, das bisschen Dreck das die Diesel- Autos mehr produzieren als vorgegeben, das tue doch nichts zur Sache. Denn schließlich würden die Autos ja immer sauberer.
Und weil das so ist, müssen VW und Konsorten auch ihre - absichtlich verpfuschten - Motoren nicht nachbessern.
Statt also mit der hohen Last für die arme darbende deutsche Autoindustrie zu kommen (Jahresgewinn von VW 2017: 11,4 Milliarden!) daherzukommen, die man mit einem einzelnen Weblink widerlegen kann, versuchen sie, den entstandenen Schaden kleinzureden.
Dabei entsteht in Deutschland eh frühestens in einem Jahr ein reeller Schaden, weil dann die ersten Städte handeln müssen, und die kaputten Diesel aus den Werken von VW, BMW oder Daimler aus ihren Umweltzonen verbannen müssen. Denn bisher trägt der Deutsche Staat alle entstandenen Kosten, sowohl die entstehenden Umweltschäden, als auch die eigentlich höhere KFz- Steuer die anfallen würde, wenn man die Autos neu veranlagen würde.

So, aber mal zurück zu der Mär, daß die Motoren ja immer sauberer würden. Denn vielleicht sollten wir die mal erörtern. Stimmt die denn so? Oder tun sich hier Zweifel auf?

Auf der einen Seite stimmt es natürlich, daß die deutsche Autoindustrie seit der Kohl- Ära versucht, ihre Autos als besonders spritsparend und somit sauber anzupreisen.
In diese Zeit fällt auch der Abschied vom verbleiten Benzin. Das hat, neben der Senkung von giftigem Blei in der Atemluft auch dazu geführt, daß man nun Katalysatoren einsetzen konnte, die die Abgase durch den Einsatz chemischer Prozesse reinigen. Vorher ging das nicht, da das Blei das im "Kat" eingesetzte Platin angriff.

Dabei gibt es aber eine deutsche Besonderheit, die uns vor drei jahren massiv aufgestoßen ist: Der Dieselmotor.
Kein anderes Land auf der Welt kam auf die Idee, diese Motortechnik so massiv - durch Steuerbegünstigung in der Mineralölsteuer - zu subventionieren, wie Schland.
Obendrauf kommt dann noch ein Trend zu Firmenwagen, die ebenfalls steuerlich subventioniert werden, da Firma und Nutzer die Leasingbeträge absetzen können. Und wenn der Besitz von Autos billiger wird, führt das dazu, daß die Autos größer und dadurch wieder spritschluckender werden, weil irgendwo muß das gesparte Geld ja hin. Oder es werden direkt mehr Autos, weil der ein oder andere Firmenwagenempfänger hätte vielleicht auch ganz auf den fahrenden Untersatz verzichtet, wenn er ihn nicht hinterhergeworfen bekäme. Und Firmenwagen sind meistens Diesel.

Beides zusammen führte dann dazu, daß die deutschen Autobauer die technische Führungsrolle was Dieselmotoren angeht einnehmen - in der Tat ist es sogar so, daß die meisten Importeure gar keine Dieselmotoren für PKW bauen, sondern einfach welche bei VW und Konsorten einkaufen, wenn sie Dieselfahrzeuge für Deutschland anbieten.
Dabei hat der Dieselmotor einige Nachteile. So arbeitet er längst nicht so "spritzig" wie es Benzinmotoren tun würden. Da mußten die Ingenieure natürlich was gegen tun, denn schließlich ist "Fahrspaß" ein Verkaufsargument für die Autos. Und wenn ein Auto schon mehrere Zigtausend Euronen kostet, dann soll es den auch bringen, mögen doch andere umweltfreundlich fahren.
Neben dem Wahn, die Motoren also immer stärker zu machen, auch weil es mittlerweile einen Trend zur Aufrüstung und zu immer grotesker werdenden Straßenpanzern (==SUVs, siehe im Abschnitt hier drüber) gibt, verbrennen die neuen Dieselmotoren den Treibstoff auch heißer - was dann dummerweise dazu führt, sie mehr Stockstoffoxie ausstoßen als die alten Vorgänger. Dafür geht CO² zurück, aber dem Fußgänger kann es egal sein, welcher Feinstaub sich in seinen Lungen festsetzt, dahin gehören tut das Zeug eigentlich nicht.
Also mußten sich die Autobauer was Neues einfallen lassen. Die Lösung war es dann einen zweiten Tank ins Auto einzubauen*, der Pipi (Clearblue oder wie diese "Blue"- Zusatzstoffe der verschiedenen Hersteller auch immer heißen, ist ein Harnstoff, aber fragen Sie mich bitte nicht von welchem Tier das Zeug kommt) in den Motor schießt, der die Stickstoffoxidproduktion senkt.
Dummerweise kostet die Herstellung von diesem Blue- Pipi aber wohl auch Geld, es reicht also nicht aus, einfach die Abwässer der Werkstoiletten zu sammeln. Deswegen kamen man nun auf die clevere Idee, die Motoren so zu programmieren, daß sie ihr Pipi besonders sparsam einsetzen. Und quasi nur dann volles Programm fahren, wenn sie auf einem Teststand festgeschnallt sind. Überall sonst, und vor allem im Innenstadtverkehr, pusten sie aber die volle Ladung an Stickoxiden in die Luft.

Und damit hätten wir den Stand von Heute: Nahezu alle Diesel- Fahrzeuge die in den letzten Jahren verkauft wurden, sind übergroße Ungetüme, die, während sie einen einzelnen Popo durch die Stadt bewegen, übermäßig viel CO² und Stickoxide in die Luft pusten. Und das nur, weil der Popo der hinterm Steuer sitzt, einen massiven Vorwärtsschub verspüren möchte, wenn er aufs Gaspedal tritt. Und weil die Autohersteller eben diese Autos besondern gern verkaufen.
Den Schaden dafür bezalt bis heute ganz allein der Staat.
Da haben wir also ganz ganz viele Effekte, die der der Aussage der Autohersteller, daß ihre Motoren doch immer umweltfreundlicher würden, zuwiderlaufen.
Denn selbst wenn die Motoren heute effektiver arbeiten, müssen sie mehr Metall durch die Gegend bewegen, gibt es mehr Motoren, die Metall durch die Gegend bewegen, und gibt es einen höheren anteil an Dieselmotoren, die mehr Metall durch die Gegend bewegen und mehr Stickoxide ausstoßen, mit denen Katalysatoren nichts anfangen können.

Dank der Deutschen Umwelthilfe, die seit Jahren darauf hinweist, daß deutsche Städte die dreckickste Luft in ganz Europa haben (Stickoxide anyone?) und die jetzt darauf geklagt hat, daß besonders viel Feinstaub prodzierende Fahrzeuge künftig zumindest die Innenstädte zu meiden haben, steht der Staat jetzt als vor einem Dilemma.
Denn eigentlich war es bereits beschlossene Sache, daß die Dieselautobauer geschont werden sollten. Keine Nachrüstung der verpfuschten Autos auf den einmal versprochenen Stand. Maximal wurde die Software der Motoren gepatcht, was zu einem höheren Pipiverbrauch der Motoren, und möglicherweise zu mehr Verschleiß derselben führte. Genaue Zahlen dazu kennne ich jetzt nicht, die Fahrer beschweren sich aber vor Allem darüber, daß ihre Autos jetzt nicht mehr so "spritzig" seien. Nichts gelernt also auch hier.

Und dank der Deutschen Umwelthilfe, die nun die Stadt Frankfurt erfolgreich auf Einhaltung der Feinstaubgrenzen verklagt hat - was nur dadurch geht, daß besonders massiv stickoxidproduzierende Diesel nicht mehr in die Innenstädte dürfen, haben diese Dieselfahrer nun ein massives Problem: Denn nun müssen sie ihre Dieselkarren außerhalb stehenlassen. Und sich entweder vom Deutschen Autobauer ihrer Wahl ein neues Fahrzeug verkaufen lassen, daß noch in die Innenstädt darf, oder den ÖPNV nutzen.
Letzteres wollen sie aber auf jeden Fall vermeiden.

Und so kommt es, daß nun VW, Daimler, BMW, der ADAC und der Axel-Springer-Verlag massiv das Bundesangieamt belagern, damit der Staat die Kosten für die Nachrüstung der kaputten Stickoxiddiesel übernimmt. Damit deren Fahrer weiterhin ihren schweren Popo durch die Innenstädte bewegen können ohne auszusteigen. Und damit die Autoindustrie auch dieses Jahr wieder 11-stellige Gewinne vermelden kann.

Nun möchte ich es mir sparen, hier eine Riesenrechnung aufzumachen, und die eingesparten Kohlenmonoxide und -dioxide aufzurechnen gegen die mehr produzierten Stickoxide dank des deutschen Dieselwahns. Gefühlt gibt es hier aber keine Fortschritte.
Wobei halt auch noch dazukommt, daß Stickoxide nicht nur 298-mal schädlicher für unser Klima sind als Kohlenoxide, sondern daß sie auch noch die Atemwege von Säugetieren wie Eichhörnchen, Pferden, und von uns Menschen schädigen.
Es spricht jedenfalls alles dafür, daß wir diese Diesel- Sonderrolle aufgeben sollten. Zuallererst natürlich durch einen Abbau der Subventionen. Auf Dieselkraftstoff sollte die gleiche Mineralölsteuer aufgeschlagen werden wie auf Benzin, und auch die Abschreibungsmöglichkeiten für Firmenwagen sollten begrenzt oder gedeckelt werden. Wer SUV fahren will, soll dafür zumindest fett blechen dürfen.
Und dann darf man natürlich gern darüber nachdenken, ob man die Dieselfahrer selbst entschädigen kann. Schließlich haben sie - wenn auch aus falschem Antrieb heraus - viel Geld dafür bezahlt, daß sie eine Karre fahren dürfen, die nicht das tut was ihnen versprochen wurde.

Eine Aufrüstung der bestehenden Fahrzeuge auf aktuelles Schadstoffniveau, natürlich Kosten der schadensverursachenden Dieselindustrie, muß hier mindestens drin sein.
Ggf. dürfen Verbraucher auch gegen die Verursacher auf Entschädigung oder Rücknahme klagen, so wie im Rest der Welt auch passiert ist. Scheiß auf die Gewinnwarnung von VW. Wenn ihnen dadurch Geld für Investitionen fehlt, dann können sie sich das so beschaffen, wie das jedes andere Wirtschaftsunternehmen auch tut: Durch die Ausgabe neuer Aktien oder durch die Aufnahme eines Kredits.

Und PS: Einen Gag habe ich mir noch für ganz zum Schluß aufgehoben: Laut WHO gelten Dieselabgase seit 2012 als "krebserregend", Benziner- Abgase hingegen nur als "potentiell krebserregend". Noch Fragen?


*Erinnert sich noch jemand an die alten Witze über asiatische Autos? Daß die einen zweiten Tank hätten, in die Man Reis einfüllen müsse? Wer hätte gedacht, daß deutsche Autobauer diesen Gag in Echt umsetzen, und daß dann keine Weißwurst eingefüllt werden muß, oder Bier? Sondern Pipi!